RAN

Teil 6

play

Hallo, mein Name ist Kathrin Lewis, ich studiere Kommunikationsdesign im 7. Semester an der Folkwang Universität der Künste. Heute stelle ich Euch meine Lieblingsschrift »RAN- Reformierte Anfänger*innenschrift« von Georg Salden vor.

Die RAN wurde von Salden im Jahr 2010 entworfen. Die RAN ist eine Handschrift primär für Personen, die gerade Schreiben und Lesen lernen. Sie zeichnet sich somit als Erstschrift UND Leseschrift für Schüler*innen aus. Mit passendem Übungsmaterial anhand einer Broschüre ist sie für den Unterricht an Grundschulen angepasst.

In deutschen Schulen ist das Schreibenlernen föderal organisiert und so von Land zu Land unterschiedlich geprägt. Des Weiteren ist historisch anzumerken, dass nach über 300 Jahren Fraktur und Sütterlin geprägtem Schriftbild 1941 von den Nationalsozialisten die Fraktur in der Öffentlichkeit verboten wurde und die Latainschrift eingeführt wurde. Dieser Wechsel hatte massive Auswirkung auf Schullehre! Die Schulen mussten plötzlich auf Latainschrift wechseln mit Gewohnheit aus Sütterlin.

1950 erfolgten dann weitere pädagogische Reformen: Alle Buchstaben sollten jetzt verbunden werden. Nach Salden ist die Nutzung der „Schönschrift“ der latainischen Ausgangsschrift ungünstig, da sie langsam, unpraktisch und nicht für täglichen Gebrauch geeignet sei und schnell zu einer unübersichtlichen „Girlandenschrift“ werde. Heute wird in vielen Schulen in der 1. Klasse Druckschrift gelehrt, was widerum den Kindern es schwer mache, je eine praktische sinnvoll verbundene Schreibschrift zu lernen.

Die RAN entstand in Folge Saldens intensiver Beschäftigung mit Handschriften und seinem stetigen Interesse der didaktischen Vermittlung des Schreibens. In seiner Laufbahn, in der er viel in der universellen Lehre und auch in der Jugendarbeit tätig war hat er junge Menschen im Schreiben begleitet. Hierbei fielen ihm einige Ungereimtheiten in der schulischen Schreibvermittlung in der Grundschule auf. Aus seiner jahrzehntelangen Expertise des handschriftlichen Schreibens und auch des Schriftentwerfens entschied er sich seine Erkenntnisse in einem Vorschlag zu einer eigenen Erstschrift festzuhalten. Hierzu entstanden mehrere Aufsätze und das Übungsheft zur RAN mit präziser Anleitung, wie pädagogische Lehrkräfte bei der Schriftvermittlung vorgehen sollten. Nicht außer Acht zu lassen ist hierbei die Vermittlung der richtigen Körper- und Stifthaltung beim Schreiben. In Zusammenarbeit mit Volker Schnebel ist die RAN auch digital in verschiedenen Schnitten käuflich verfügbar.

Es folgt ein Zitat Georg Saldens über die Entstehung der »RAN«: „Sprache gibt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Natur dem Menschen mit. Lesen ist ein komplizierter Vorgang, der die Erinnerung an viele Begriffe und ihre Wortbilder voraussetzt. Schreiben ist, besonders in der Lernphase, eine gestalterische Aktivität, die Lautzeichen in einer Zeile anordnet. Das Aneinanderreihen wird im Gehirn geplant, das in sehr direkter Verbindung mit den drei Schreibfingern arbeitet. Diese Kooperation bewirkt individuelle Einmaligkeit bei jedes Menschen Schrift. Sie ist nicht zu ersetzen durch das Nachmalen von einzelnen Buchstaben noch durch das Antippen von Tasten auf einem Schreibgerät. Die zu erlernende Schrift muss allerdings die Möglichkeit einer logischen Gestaltung mitbringen. Sie soll den Anfänger*innen mit einer Didaktik angeboten werden, wie sie sie etwa von Trainer*innen im Sport erwarten.“ (S.1)

Ergo – das handschriftliche Schreiben ist zu Fördern, da es auch die individuellen Fähigkeiten und das Denken fördert und strukturiert.

In Georg Saldens Annahme, dass der Prozess des handschriftlichen Schreibens auf kognitiver und motorischer Ebene tiefer gehende Effekte auf unsere Erfahrungsweise und Lernfähigkeit hat wird von der aktuellen neurowissenschaftlichen Forschungslage bestätigt. So zeigen Ergebnisse aus Metaanalysen von z.B. Planton et al., 2013, dass beim handschriftlichen Schreiben Verknüpfungen und Prozesse im Gehirn ausgelöst werden, die im Vergleich zum Schreiben auf einer Tastatur nicht vergleichsweise ausgeprägt auftreten. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass die Merk- und Abruffähigkeit für handschriftlich Geschriebenes signifikant erhöht wird. Diese angelegten motorischen Gedächtnisspuren werden beim Schreibenlernen in der Schule abgerufen, wenn die Kinder zum Beispiel lernen, Buchstaben wieder zu erkennen und bei Erwachsenen ist dies ein förderlicher Prozess, wenn sie etwas lernen oder sich merken wollen.

Das handschriftliche Schreiben unterstützt somit nachhaltig das Lernen sowie das Lesen- und Schreibenlernen der Erstschrift.

Weitergehend ist für Salden handgeschriebene Schrift ein Kulturerbe, was es zu wahren gilt, da Schriften wie z.B. die gebrochene Schriften zunehmend in Vergessenheit geraten. Zeitlebens engagierte sich Salden für das Schreiben mit der Hand und eine zielführende Vermittlung dieser Fertigkeit. Mit Einzug der Digitalisierung wird jedoch immer weniger handschriftlich geschrieben. Um dem derzeitigen Verfall der Handschrift entgegenzuwirken forscht Salden zu Handschriften, setzt sich in der Jugendarbeit ein, wie im Schreibkurs „Persönliche Handschrift oder Klaue?“. Salden sammelt handschriftliche Schriftproben und beobachtet, dass in der Handschrift zunehmend Unregelmäßigkeiten im Rhythmus des Schriftbilds durch beispielsweise nicht einheitliche Verbindungsstriche entstehen. Salden betrachtet diesen „Verfall eines Kulturgutes“ sehr kritisch, dennoch geht er dem Problem offen und mit konstruktiven Lösungen entgegen, indem er seinen Vorschlag einer vermittelnden Schreibschrift, der RAN 2010 entwickelt.

Die Schriftvermittlung der RAN folgt folgenden vier Prämissen:
  1. Die richtige Körperhaltung: Die schreibende Person sollte an einem stabilen Stuhl ohne Rollfunktion so sitzen, das beide Füsse flach auf dem Boden stehen. Die Tischkannte sollte auf Höhe des Bauchnabels enden. Die Tischplatte oder ein entsprechender Aufsatz ist in einem 45 Grad Winkel angeschrägt. Der Stift wird mit drei Fingern unten lose zwischen Daumen, Mittelfinger und dem lang gestreckten Zeigefinger schräg zum Papier gehalten. Der Mittelfinger stützt nach unten zum Papier ab.
  2. Die Papierbeschaffung: Schreibübungen sind auf kariertem Papier ideal, da die schreibende Person sich an die Senkrechte halten kann. Zwei Karos werden jeweils zwischen den Zeilen freigelassen. Unter der Schreibhand liegt ein Schutzpapier, damit das Schreibpapier nicht vom Hauttalg angefettet wird.
  3. Spielerisches Lernen im Austausch Sobald die Schreibanfänger*innen einige Silben zu Wörtern zusammenstellen können soll im Klassenverbund die Ergebnisse geteilt und verglichen werden. So wird in Korrespondenz mit den Schüler*innen die Schreibformen entdeckt. Lesenlernen von Selbstgeschriebenem findet ganz selbstverständlich und nebenher statt und kann spielerisch gestaltet werden.
  4. Mehr Freiraum, Zeit in der Entwicklung Im Idealfall plädiert Salden für ein ‚Kreatives Jahr‘ zwischen Kindergarten und erstem Schuljahr. Hierbei werden erste Schreibübungen mit vielen Ausflügen in die Natur und anderen Abwechselungen ergänzt. Lust und Interesse an Schrift soll so ohne Notendruck geweckt werden.
Schriftbeschreibung:

Salden entwirft für die RAN zunächst eine gut lesbare unverbundene, serifenlose, geometrisch wirkende Druckschrift. Salden versieht die einzelnen Buchstaben mit kleinen Hinweispfeilen zur Laufrichtung und Zahlen, welche die ideale Reihenfolge beim Zeichnen der Buchstaben definiert. Die RAN verzichtet auf Schlaufen wie z.B. dem h bei der Lateinischen Ausgangsschrift sowie auf Schmuckelemente. Schriften mit Schlaufen werden in der Geschwindigkeit zunehmend unleserlich und kosten mehr motorische Ressourcen.

Das Schriftbild der RAN wird zu einer verbundenen Schrift, denn sie zeichnet sich durch glatte, gerade Verbindungsstriche zwischen den Buchstaben aus. Wenn diese Verbindungsstriche weggelassen werden würden, kann die RAN wieder zur Druckschrift werden. Die Verbindungsstriche sind beim Schreiben wichtig, denn sie ermöglichen eine schnelle und flüssige Handschrift. Außerdem sorgen sie für gleichgroße Abstände zwischen den Buchstaben, das Schriftbild wird gerader, da die Verbindungsstriche es erleichtern sich an die Schriftlinie zu halten. Den neuen Anfangspunkt eines folgenden Buchstaben zu definieren, erfordert Zeit und Erfahrung. Wenn Schriftanfänger*innen den Anstrich weglassen, setzen sie die Buchstaben mit wahllosen Abständen ohne Zeilenführung auf das Papier.

Der Schreibrhythmus und die Schreibmotorik werden in parallel zu setzenden Strichen auf dem karierten Papier geübt. Möglichst zügig soll so die Motorik für den späteren Schreibprozess verinnerlicht werden. Im nächsten Schritt werden Zickzackübungen durchgeführt. Hierbei wird an den unteren Punkt des Striches ein diagonaler Strich durch das Kästchen gezogen und von dort aus wieder gerade nach unten gezogen. So werden die geraden Verbindungsstriche geübt. Aus dieser Grundform wird dann das n und das u geübt. Salden gibt genau vor und setzt Verbindungsstriche nur da an, wo es Sinn macht. Die RAN ist somit eine teilverbundene Schrift. Diese Regeln werden klar vorgegeben und deshalb ist es wichtig, nicht nur einzelne Buchstaben beim Lernen der RAN, sondern Silben zu Schreiben. Damit die Kleinbuchstaben möglichst nie einzeln geübt werden. So soll von Beginn an „denkendes Schreiben“ gefordert und gefördert werden.

Von Anfang an wird im VERBUND geschrieben. Hierbei entsteht ein Schreibrhythmus, im Unterschied zu anderen Lernmethoden, bei dem „Aaaaaaaaa Bbbbbb“ einzelne Buchstaben gelernt werden. Anschließend wird aus dem Schreibrhythmus heraus neue Buchstaben hinzugelernt geformt.: n u werden zu m, i aus Grundform entwickelt.

Bei der Schreibvermittlung werden zuerst die Minuskeln vor allem im Silbenverbund gelernt. Danach dürfen die Majuskeln einzeln geübt werden, da sie selten vorkommen aber das Schriftbild stark prägen.

Die Minuskeln (Kleinbuchstaben) kann man grob in drei Formgruppen unterteilen: die geradlinigen, die runden und die schrägen. Die Geradlinigen fangen mit ihren senkrechten Strichen an der oberen Schriftlinie an und enden an der unteren Schriftlinie orientiert an den Kästchens des Papiers. Das sind i, m, n, u. Sofern diese Buchstaben aufeinander folgen, kann man sie mit einer möglichst geraden Schräglinie verbinden.

Bei den runden Minuskeln zeichnet sich die RAN durch eine „Neuerfindung“ aus: Die Minuskeln a, d, g, o, q werden in anderen verbundenen Schriften bisher an ihrer linken Seite umständlich gebunden. Den schräge Anstrich wird bei anderen Schriften (wie z.B. der latainischen Ausgangsschrift in die obere Rundung, dann auf dem gleichen Strich ein Stück zurück (Deckstrich) gezogen, um die übrige Rundung bis rechts oben zu schreiben. Hier greift Saldens einflussstarke Reform ein: Bei der RAN wird der schräge Anstrich nur bis zur Buchstabenmitte gezogen. Von dort aus dann gegen den Uhrzeigersinn nach rechts die ganze Rundung bis zum Ausgangspunkt zurück gezeichnet. Auch das e bekommt den ähnlichen Schwung für den e-Kopf.

Das a bekommt nach der beschriebenen Rundform rechts einen senkrechten Strich, der direkt an der Rundung münden sollte. Beim d fängt die Senkrechte an der oberen Schriftlinie an, beim g geht er mit einem Bogen über die unter Schriftlinie hinunter und endet da, beim q bleibt er gerade. Da die Großbuchstaben (Majuskeln) für einen schnellen Schreibfluss weniger entscheidend sind, entwirft Salden sie der ‚Druckschrift‘ ähnlich. Saldens Entwurf der RAN-Majuskeln zeichnen sich durch eine kleine Linkskrümmung beim jeweils ersten Strich aus. Das solle die Buchstaben geschmeidiger machen und solle Interesse erwecken als schreibende Person eigene Versuche mit den Majuskeln zu machen.

Warum die RAN meine Lieblingsschrift ist

Die RAN ist eine dynamische gut durchdachte Handschrift, die auch mich als erwachsene Person beim Schreibtraining meiner eigenen Handschrift neue prägte. Die Erfahrung auf einen bestimmten Schreibrhythmus zu achten, der durch die präzisen geraden Verbindungsstriche gefördert wird lässt mein Schriftbild gleichmäßiger erscheinen und erfolgt zügiger. Kurz gesagt, der Sinn der RAN liegt im schnellen, gerade Verbindungsstrich und es gibt keine Doppelwege.

Die RAN als verbundene Schreibschrift ist im Unterschied zur statischen -als technisch wahrgenommenen – Druckschrift in einem schnelleren Tempo zu schreiben, Notizen werden lebendig und die Empfänger*innen erkennen die Absendenden an der persönlichen Handschrift. Mit der eigenen Handschrift verfasste Texte stehen in besonderer Beziehung zur individuellen Person. Weiter gefällt mir Saldens Einschätzung, dass sich die individuelle Ausprägung der Handschrift zwischen Schreibenden und Schrift rückwirkt. So kann Einfluss auf unser Denken durch die handwerkliche meditative Tätigkeit des Schreibens entstehen. Demnach entsteht auch Individualität durch Schreiben. Die Digitalisierung der RAN ist in Zusammenarbeit mit Volker Schnebel entstanden und ist als Satzschrift RAN in fünf Schnitten im Shop ab 39,99 Euro pro Einzelschnitt erhältlich. So kann auch digital die Handschrift RAN simuliert werden, bei der die Verbindungsstriche automatisch greifen.

More from this show

Soziale Netzwerke

Besuchen Sie uns in den sozialen Netzwerken.

ArchivTeil 6