Zitat

Teil 2

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Hallo, mein Name ist Natascha Dell, ich unterrichte das Fach Schriftgestaltung an der Folkwang Universität der Künste. Heute stelle ich Euch meine Lieblingsschrift »Zitat« von Georg Salden vor.

Die Zitat wurde von Georg Salden im Jahr 1996 für den digitalen Satz — und bereits mittels digitaler Technologien gestaltet. 

Präambel

Die Zitat entstand in Folge Georg Saldens intensiver Beschäftigung mit Zeitungsschriften. Denn Anfang der 90er Jahre erhielt Georg Salden den Auftrag für die NRZ neue Schriften im Rahmen der Umstellung auf den Digitalsatz zu entwickeln. Die NRZ strebte im Rahmen des Technologie-Sprungs auch ein Relaunch des Designs an. Nach 2jähriger Entwicklungszeit entschied man sich für einen Entwurf, der Saldens Schriften nicht vorsah. 

Georg Salden über die Entstehung der »Zitat«

Zitat entstand für Zeitungen. Zeitungsschriften hat man schon in Bleisatzzeiten viel Aufmerksamkeit gewidmet. Die meisten waren auf offene Punzen getrimmte Egyptiennen. Später wurde in Deutschland die sehr nüchterne »Candida« (Erbar) eingesetzt oder die schmiegsamere »Melior« (Zapf). Der etwas dünnlippigen »Times« (Morison) wurde die stabilere »Concorde« (Lange) entgegengestellt. Aus diesem oft durchpflückten Acker wollte ich eine Schrift wachsen lassen, die gut lesbar, ohne Auffälligkeiten, sachlich ist.

Zitat ist ein wenig schmaler für eine Antiqua, damit mehr Buchstaben in schmale Spalten passen. Ihre Versalien sind leicht fetter als die Gemeinen und gliedern den sprachlichen Rhythmus. Wo Verklecksungen in Buchstaben zu erwarten sind, sind die Buchstabenverbindungen unterbrochen: bei B, K, R, g, k. Die Serifen sind auf den Höhenlinien eingekerbt. An schrägen Balken sind die Serifen nach innen waagrecht und leichter, außen abfallend. Oberlängen haben an sich flache Serifen, die am Stamm nach rechts oben spitzen. Unnötige Serifen sind weggelassen: E, F in der Mitte. h, m, n haben hinten nur Halbserifen in Leserichtung; dadurch bleiben die Innenräume dieser Buchstaben freier. Senkrechte Serifen an runden Balken-Endungen knicken diese Rundungen nach innen ab und verstärken so die Idee dieser Buchstaben.

Nirgends scheint mehr getan als eben nötig, um Deutlichkeit zu erzielen. Und doch: wenn man die Basisschrift betrachtet, klingt aus ihr ein freundschaftlicher Ton, geistvoll und sensibel, offen und zuverlässig, kraftvoll und überzeugend.

Die wenigen 3 Schnitte müssen als Einheit beurteilt werden. Die »Fette« ist wie meist im Verhältnis zur Grundschrift grober und wuchtiger, eben nachdrücklicher. Die typischen Merkmale konnten alle mit gleichem Vorteil übernommen werden. Die Fette hat eine größere x-Höhe, weil sie sonst durch Anfettung niedrigerer Innenräume bei der gleichen Punktgröße kleiner erscheinen würde. Trotzdem läuft sie kaum breiter. Der Fettenzuwachs geht bei senkrechten Balken eher nach innen. Schmalere Innenräume gestatten auch geringere Buchstabenabstände.

Besonders erwähne ich die Kursiv. Hier wurden die Großbuchstaben der Basisschrift als schräge Varianten zu den Kleinbuchstaben gestellt, die alle ihre eigene kursive Formenwelt besitzen. Nur ein Buchstabe hat einen echten Serif: das f, das ich mit Unterlänge als zu kalligrafisch fände. Es fehlen auch bei anderen Unterlängen Schwungelemente gegen die Leserichtung. Der einzige Schreib-Anklang sitzt im unteren Balken des z, sozusagen ein kleines Zitat. Ich mag keine Kursiven, deren 100-prozentig ausgerichtete Schräglage den Eindruck von »Strichregen« erweckt. Leicht varrierte Richtungen bei Köpfen und Füßen der Buchstaben, auch die ziemlich gewölbten Biegungen vermeiden hier einen solchen Effekt. Wie die Fette zur Basis etwas ernster wirkt, ist die Kursive fröhlicher und kann so auch allein verwendet werden. Letztendlich ist es natürlich Aufgabe des Typografen und seine Geschicklichkeit, derartige Stimmungen zu vermitteln.

Schriftbeschreibung

Die Zitat ist eine kompakte Serifenschrift nach Art der Schadow (Georg Trump), deren Serifen stabil sind und gerade an die Stämme angesetzt sind. Die Binnenräume sind nicht ganz geöffnet und doch deutlich ausgeprägt. Sie besitzt ein dreigeschossiges »g« und ein zweigeschossiges »a«. Der Glyphenbreitenkontrast ist wenig ausgeprägt — ebensowenig der Strichstärkenkontrast. Daher steht die Schrift sehr stabil und einheitlich im Satz. Dazu trägt auch die hohe x-Höhe und der schmale Lauf der Schrift bei. Insgesamt erfüllt die Zitat alle Ansprüche der Reproduktionstechnik des Zeitungsdrucks an eine Brotschrift. 

Die Einzelformen sind sehr charakteristisch für den jeweiligen Buchstaben und so entstehen — trotz der formalen Einheit — markante Wortbilder. Den Formen liegen funktionale Überlegungen zu Grunde und zeigen daher eine große Klarheit und Deutlichkeit, ohne Überflüssiges.  

Die Bodenserifen sind an der Grundlinie leicht nach oben aufgewölbt. Die Anstriche der Dachansätze zeigen eine kongruente Wölbung. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die Wölbung als eckige Form. Besonders auffällig sind diejenigen Stellen, die die größte Gefahr der Fleckung im Satzbild bergen: bei Majuskel-Buchstaben BKR und Minuskel-Buchstaben k, g  Dort sind die Striche nicht verbunden. Aus dem selben Grund wurde die senkrechte Serife an der x-Höhe bei E und F weggelassen. Die Abstriche bei a, b, d wurden dünner und abknickend gestaltet, um auch hier die Gefahr des »fleckens« zu vermeiden. Die Serifen in den Binnenräumen bei n, m, h zeigen nur nach rechts.

Die Zitat steht sehr gleichmäßig im Satz, ohne ihre Wortbildprägnanz einzubüßen.

Die Kursive ist formal stark an den rekten Schnitt gebunden. Nichts desto trotz zeigt sie alle Merkmale einer »echten« Kursivschrift mit den typischen Bedingungen. Die Überläufe sind viel tiefer angesetzt, statt Bodenserifen gibt es runde Anstriche und gerade Abschlüsse an der Grundlinie. Einige Buchstaben sind sogar stark aus der geschriebenen Form abgeleitet, so weisen v, w und z geschwungene und runde Formen auf. Die Kursive läuft schmaler als die aufrechte Schrift und ist dabei nur um 9 Grad geneigt. Besonders interessant ist, dass auch die inneren Bogenformen der Anstriche keine echten Rundungen aufweisen, sondern eckig gestaltet sind.

Warum sie meine Lieblingsschrift ist

Ich liebe die Zitat, weil sie durch ihren feingeistigen Charakter und ihre hohe Funktionalität zur Profilierung von versierten Typograf*innen taugt. Sie zeugt von großem Sachverstand — sowohl ihrer Nutzer*innen — als auch von ihrem Gestalter. Die feine Abstimmung der Schnitte, die Details, ihr klarer und funktionaler Ansatz, die deutlichen und gut durchdachten Formen, all das sind gute Gründe, die Zitat — nicht nur in Zeitungen einzusetzen.

Dabei gefällt mir ganz besonders, dass sie in kleinen Graden der Lesbarkeit dienend — zurückhaltend agiert. In großen Graden jedoch glänzt sie mit der Schönheit einer funktionalen und doch ungewöhnlichen Form.

Die Zitat besitzt leider nur drei Schnitte, die Buch, die Kursiv Buch und die Halbfett. Darüber hinaus ist ihr Zeichenreservoir nicht übermäßig üppig ausgebaut. Mit dem west- und osteuropäischen Zeichensätzen deckt sie die lateinischen Zeichensysteme ab. An Opentype-Features wartet sie mit den üblichen vier Ziffern-Arten: Proportionale Versalziffern, diktengleiche Versalziffern, proportionale Mediävalziffern und diktengleiche Mediävalziffern auf. Sie besitzt die automatische Bruchziffern-Ersetzung sowie echte Hoch- und Tiefgestellte Ziffern. Schmerzlich vermisse ich Kapitälchen. Ein Schnitt der Zitat kostet knapp 100 Euro für eine Einzelperson.

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