Abgesang Context

Teil 3

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Ein Auszug aus dem Abgesang zur Context Gesellschaft von Georg Salden

Johannes‘ Context
Hochwohlgebor‘ne liebe Leute –
welch‘ ein bemerkenswerter Tag ist heute!
Ich grüße und bedau‘re die
Kollegen der Typographie,
wie sie sich hier zusammenfinden,
um lang Verbund‘nes loszubinden.
[]

Hochwohlgeschätzte treue Jünger –
vorbei ist die Textura-Zeit,
die Schwabacher-und Karolinger-…
heut‘ gilt die Fortschrittsgläubigkeit!

Was einst von mir geheim ersonnen
an Lettern, Druck und Wissenschaft,
hat ein Volumen angenommen,
das selbst die Tüchtigsten zerpafft.

Nach Staromaten, Diatype und Diatronic
des Fotosatzes Licht erlosch.
Ob Bibel, Zeitung, Werbehonig –
man setzt es jetzt auf Macintosh.
[]

Jedoch vor Jahren, so wurd‘ es mir berichtet,
habe ein Häufchen Zunftgenossen,
in deren Firmen Satz belichtet,
ein Bündnis wegen Qualität geschlossen.

Die »Context« nannten sie die Neue,
und da sie vom Geschlecht her weiblich war,
das von Natur her steht auf Treue,
bestand das Bündnis manches Jahr.

Den Zeitpunkt wollt Ihr im Kalender sehen?
Ich mein‘, man sollte solchen Fabelwesen
wie Pferd und Hunden
je Jahr die Zahl von sieben Menschenjahren zugestehen:
dann wären hundertfünf statt fünfzehn zu bekunden.

Die Taufe ging nicht leicht vonstatten.
Der erste Pate, ein – achtundsechs‘ger Sonnenmoserlein,
nachdem er Halbtags-Arbeitszeit vereinbart hatte,
setzt‘ seinen Freund zum Context-Generalerben ein.

Der zweite wollte spielend testen
im Kreise seiner Arbeitgeber,
was die denn wohl zu bieten wüßten –
im Kopf versteht sich, und ein jeder.

Horst und Stefan sträubten sich mächtig,
solch‘ Kinderkrämchen mitzumachen.
Doch manches rächt erst mit der Zeit sich:
der Stefan kann sich jetzt im »Satzspiegel« anlachen.

Das Bündnis Neunundsiebzig zog nach vorn
mit vielen rühmlichen Aktionen
und nahm sich ganz speziell aufs Korn,
bei Treffs im feinsten Nachtquartier zu wohnen.

Bankette! Tische bogen sich vor Speisen –
für Georg gab es Möhren, Äpfel, Trauben!
Am meisten bildet doch das Reisen.
Der Präsident macht‘ es nicht glauben.

Wo konnte man so schön dem Sporte frönen,
ob Tennis oder Abfahrtslauf?
Sie taten es den Profis gerne gönnen,
denn nachher war‘n sie ‚Spitze‘ drauf.

In Chur, Cuxhaven, Grömitz oder Gstaad,
in Glücksburg, Edin-oder Nüremberg
stets wußte sich die Context guten Rat,
die Freuden beizufügen ihrem Werk.

Nicht selten wurd‘ die Nacht zum Tage.
Der Betten hätt‘ es kaum bedurft,
wenn man beim fachlichen Gelage
den Gerstensaft der Bars geschlurft.

Dort inszenierte Adrian Lacour
mit pointierter Pantomime die Basler Fasenacht,
erfand die Lamellerie nicht nur,
auch jazzend hat er nächtens Erstaunliches vollbracht.

In Irland lösten die gesungenen Kadenzen
ein Plastic-Karten-Chaos aus mit Beugehaffen,
so daß die Bosse der Finanzen
den vorgefahr‘nen Bus erst im Taxi-Rennen schafften.

Noch heute druckt der Druckzylinder,
den Fleischmann dort geortet hatte,
zur Freude der Touristenkinder
und Contexts Ruhm die irischen Plakate.
[]

Worpswede sollte Manches Geist und Sinn
zu kreativen Höhenflügen putschen.
Kairoer Pyramiden brachten Kraftgewinn,
und auf Matratzen kann man herrlich rutschen.
[]

Und dann fiel auch noch Euer Schriftenmeister
von seiner Heizung – welcher Schicksalsschlag –
wo ausgerechnet seine Geister
Euch retten sollten vor dem Jüngsten Tag.

Kam‘s, weil des Erics Meta ihn
beim Morgenkaffee auf der Packung Milch begoß?
Warf er sich wild im Schlafe her und hin,
weil abendlich er Metachen in Kanal 3 genoß?

Nein! – Meine, Gutenbergers Sympathie
gilt Euch, die Ihr nicht FACHLICH seid bezwungen,
die Ihr den Kampf geführt mit Steuern, Bänkern, Apathie
und technischen Systemveränderungen.

Ich kenn‘ das alles, glaubet mir:
Auch mir hat einst geträumt von wirtschaftlicher Sicherheit.
Die Welt ist rund, die Kugeln müssen rollen,
und nur wer Mut hat, lenkt sie in die Vollen.

Ihr habt‘s gewagt, ich sag‘ Euch Dank.
Die Satzkunst hatte ein paar gute Jahre.
Jetzt liegt sie wieder auf der langen Bank –
Doch macht Euch darum keine grauen Haare:

Was zählt ist menschliches Bemühen,
gemeinsame Verbundenheit.
Was Ihr gesät, wird später blühen.

DIE »Context« ist dahin – DER Context bleibt!

Text: Georg Salden 1996
Gesprochen von: Carl Grübel

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